Interview

Interview

Wo schreiben Sie?

Die meiste Zeit schreibe ich oben in unserem Schlafzimmer. Ich hatte mal ein eigenes Büro, aber das hatte zur Folge, dass meine Arbeitsunterlagen immer an drei Orten verteilt waren: Im Büro, im Sender und zu Hause. Mittlerweile findet meine Frau das nächtliche Tippen sogar beruhigend. Ansonsten habe ich einen Laptop, den ich in den Urlaub mitnehme, um vormittags zu schreiben. Dafür bin ich dann nachmittags ein lieber, ausgeglichener Papa, der drei Stunden am Strand liegen kann, ohne irgendwas zu tun.

Wann schreiben Sie?

Bei meinem ersten Buch habe ich meistens abends nach der Arbeit geschrieben, was eine ziemliche Disziplin voraussetzt. Mittlerweile schreibe ich immer vormittags, rasiert und mit frischem Hemd, so als säße ich im Büro. Ich setze mich um 9 Uhr morgens hin und nehme mir bis 13 Uhr so vier bis sechs Seiten Rohfassung vor. In dieser Zeit darf mich keiner stören. Nachmittags bin ich für die Kinder zuständig und überarbeite, überarbeite, überarbeite …

Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?

Ich habe mir schon als Kind und Jugendlicher ständig Geschichten ausgedacht, meistens für Fantasy-Rollenspiele. Ideen habe ich eigentlich überall. Unter der Dusche, in der U-Bahn, beim Wandern. Mein Problem ist eher, wie ich meine vielen Ideen strukturiere.

Fangen Sie erst zu schreiben an, wenn Sie eine fertige Handlung haben oder entsteht die Handlung beim Schreiben?

Ich habe ein grobes Konzept von etwa sechs Seiten. Während des Schreibens entstehen dann oft Ideen, die die weitere Handlung betreffen. Die arbeite ich dann in das Konzept ein. Aber am spannendsten ist es immer noch, wenn man sich gemeinsam mit seinen Figuren einen Ausweg überlegen muss. Ich glaube, meine Protagonisten sind oft ziemlich sauer auf mich, ständig lege ich ihnen Hindernisse in den Weg. Da ist es doch nur gerecht, wenn wir zusammen eine Lösung suchen.

Was machen Sie, wenn Sie mal nicht weiter wissen?

Durch meine Arbeit als Fernsehautor habe ich gelernt, dass irgendwann die rettende Idee kommt. Also bleibe ich sitzen, arbeite vielleicht an einer anderen Stelle weiter oder überarbeite vorangegangene Seiten. Im schlimmsten Fall gehe ich mit Stift und Zettel spazieren. Nur nicht aufgeben! Oft gefallen mir die heiß erkämpften Seiten später am besten.

Was macht einen guten Roman aus?

Konflikt, Konflikt, Konflikt.

Und einen guten Autor?

Disziplin, Handwerk und die Lust am Erzählen.

Wie, verdammt noch mal, kommt man als Autor eigentlich an einen Verlag?

Ich hatte Glück, dass ich einen Agenten kennen lernte, der an meine Idee glaubte und damit bei den großen Verlagen anklingelte. Bis zur Vertragsunterzeichnung habe ich jedoch nicht geglaubt, dass mein Buch irgendwann mal veröffentlicht wird. Unverlangt eingeschickte Manuskripte werden von den Verlagen übrigens nur in den seltensten Fällen angenommen, das ist eigentlich aussichtslos. Also besser, man sieht sich auf Buchmessen und Literaturpartys nach einem Agenten mit Kontakten um. Aber Achtung: Niemals im Voraus bezahlen!!! Echte Agenten verlangen immer eine Provision, deren Höhe vom späteren Verkaufserlös abhängt. Alles andere ist Abzocke.

Kann man vom Schreiben leben?

Geschätzte 95 Prozent der deutschen Autoren können nicht davon leben. Sie haben sogenannte Brotberufe, auch ich habe jahrelang als Journalist beim Bayerischen Fernsehen gearbeitet. Mittlerweile gehöre ich zu den wenigen glücklichen Schriftstellern, die – zur Zeit wenigstens – von ihren Einkünften leben können. Das hat vor allem mit meinen Verkäufen in den USA zu tun. Sollten Sie also mit dem Gedanken spielen, ihren Job zu kündigen und sich nur noch dem Schreiben zu widmen, dann … hm, vielleicht informieren Sie vorher wenigstens Ihre Familie von dem Schritt. Die könnte etwas dagegen haben. Vielleicht haben Sie ja aber auch geerbt.

Wie fühlt man sich als Nachfahre einer Henkersdynastie?

Wäre mein Großvater Henker während der NS-Zeit gewesen, hätte ich damit bestimmt ein Problem. Aber der letzte Henker in unserer Familie ist Anfang des 19. Jahrhunderts gestorben, das ist also schon eine Weile her. Ich spüre deshalb keine Erbschuld. Für mich ist das Leben meiner Vorfahren eher eine Schatztruhe deftiger, blutiger und skurriler Geschichten. Mittlerweile sehe ich mich auch als eine Art Ehrenretter meiner Familie. Schließlich haben Henker in der Literatur und im Film immer noch ein ziemlich mieses Image, das es aufzupolieren gilt.

Würden Sie selbst gern im 17. Jahrhundert leben?

Oh Gott, nein! Wir reden hier über eine Zeit, in der die Hälfte der deutschen Bevölkerung entweder durch Krieg oder Krankheit dahingerafft war. Zahnschmerzen konnten einen umbringen, und eine Blinddarmentzündung war das sichere Todesurteil. Die Straßen stanken, es gab kein fließendes Wasser, und die Welt war dunkel. Wer möchte schon in so einer Zeit leben? In historischen Büchern wird oft viel zu viel glorifiziert: Das einfache Leben, die Familie, die dörfliche Idylle, die Konzentration auf das Wesentliche … Die Wahrheit ist: Das Wesentliche bestand darin, das nackte, schmutzige Leben zu retten, die dörfliche Idylle war engstirnig, und die Familie starb einem Jahr für Jahr weg. Trotzdem ist gerade das 17. Jahrhundert eine Zeit, die uns bis heute prägt. Es ist also bestimmt nicht verkehrt, sich mit ihr zu beschäftigen. Gerne auch durch das Lesen meiner Bücher.

Warum schreiben Sie auch Kinder- und Jugendbücher?

Ich bezeichne meinen Beruf gerne als Geschichtenerzähler, das trifft es am ehesten. Und Geschichten gibt es eben für jedes Alter. Meinen Kindern und deren Freunden habe ich früher jede Menge Geschichten erzählt – beim Zubettgehen, bei langweiligen Wanderungen, im Auto … Andere Eltern haben mich dann gebeten, diese Erzählungen doch mal aufzuschreiben. Im Grunde war das der Anfang meiner Schriftstellerkarriere: Kindergeschichten. Kinder sind die besten und gleichzeitig gnadenlosesten Zuhörer. Sie sind voller Begeisterung, doch wenn es langweilig wird, laufen sie einfach weg. Eigentlich eine sehr ehrliche Reaktion auf eine schlechte Geschichte.

Wie unterscheiden sich Kinderbücher von Büchern für Erwachsene?

Eigentlich viel weniger, als man denken könnte. Beide brauchen eine gute Geschichte, Kinder sind ja nicht blöder als Erwachsene (manchmal sogar schlauer). Die Sprache ist vielleicht ein bisschen einfacher, aber man darf Kinder auf keinen Fall unterschätzen. Ich persönlich halte Landschaftsbeschreibungen und Innenansichten ein wenig kürzer, dafür kommt in Jungenromanen mehr Kampf vor, bei Mädchen ist Freundschaft ein wichtiges Motiv. Doch die uralten Archetypen, die Heldenreise, der Antagonist, der Gefährte, der Lehrmeister, die Wandlung des Protagonisten … Alles das ist auch in Kindergeschichten bereits vorhanden. Im Grunde pflanzen wir Schriftsteller hier die Saat für alle zukünftigen Geschichten in jeder Altersgruppe.